Die Wesenzüge eines Märchens

Mündliche Überlieferung

Märchen sind ein Genre der Literatur, das durch gemeinsame Elemente klar definiert wird. Sie haben Wurzeln in der mündlichen Tradition und im Geschichtenerzählern. Diese Arten von Geschichten sind in jeder Kultur gleich und sie geben normalerweise Lektionen, die auf die Werte dieser bestimmten Region abgestimmt sind. In jedem Märchen gibt es unterschiedliche Merkmale, wie die Charaktere und die Umgebung, ihre Merkmale und ein Happy End. Das wichtigste Merkmal ist jedoch der Falke des Märchens. Der Falke ist das kritische Element oder Ereignis, das das Märchen unvergesslich macht und sich von anderen mit ähnlichen Themen unterscheidet.

Polarität von Gut und Böse
Ein Märchen trägt oft den Namen der Hauptfigur, zum Beispiel Rotkäppchen“ oder Aschenputtel“. Ein Held oder eine Heldin steht im Mittelpunkt der einfachen linearen Handlung. Er oder sie steht vor einer spezifischen und fast unmöglichen Aufgabe, die sie bestehen muss. Die Hauptfigur findet sich in einer schwierigen Situation, aus der er oder sie sich durch innere Kraft oder mit Hilfe anderer befreien kann. Er oder sie muss oft eine Reise unternehmen und muss mit guten und schlechten oder sogar natürlichen und übernatürlichen Kräften umgehen. Märchen haben grundsätzlich einen Schwerpunkt auf Polarität. Lüthi beschreibt, dass das Schloss in Dornröschen sowohl ein Paradies als auch ein Gefängnis ist. In diesem Sinne haben Märchen immer einen Bösewicht. Der Bösewicht ist manchmal eine Hexe oder eine Zauberin, die sich mit den dunklen Künsten beschäftigt. Der Bösewicht in Dornröschen ist die 13. Fee, die nicht zur Party eingeladen wurde und so wütend wurde, dass sie dem Kind den Tod wünschte. Die letzte Figur in einem Märchen sind die Nebenfiguren, die verschiedenen Zwecken dienen. Sie können eine Aufgabe setzen, beispielsweise einen König, oder eine Figur, die der Held retten und von einem Zauber befreien muss. Nebenfiguren haben oft die Form von Tieren, die sprechen und sich wie Menschen verhalten können.

Die 13. Fee

Der Kern von Märchen ist Zauber. In Dornröschen sind zwei magische Elemente vorhanden. Der Fluch der Fee zeigt, dass die Zauber im Mittelpunkt dieser Geschichte steht. Das zweite magische Element sind die Dornen, die das Schloss überdecken und die nur mit einem Kuss gezähmt werden können. Ein weiteres bestimmendes Merkmal von Märchen ist ihre Wiederholungsfreude. Schlüsselsätze oder Verse werden oft dreimal wiederholt, was die Heilige Dreifaltigkeit der Mutter-Vater-Kind-Beziehung symbolisieren kann.  Dornröschen schläft 100 Jahre lang ein, nachdem sie sich am Finger stach. Die Zahl 100 steht symbolisch für die 100 Wintertage, die häufig zu Hunger und Tod führten. Der letzte wichtige Aspekt von Märchen ist das Ende, das immer eine Variation der Phrase und sie lebte glücklich bis ans Ende“ beinhaltet.

Max Lüthi bietet eine strukturelle Analyse von Dornröschen, die die gemeinsamen Elemente von Märchen beschreibt, in seinem Buch Es war einmal. All diese Elemente bilden das, was Lüthi als „Universum im Kleinen“ (19) bezeichnet. Das Märchen ist so universell und beliebt, weil es „trotz seiner Kürze in seiner Weise die Welt umfassen: tote und lebendige Natur, Mensch und Menschenwerk, aber auch jenseitige Mächte“ (19). Lüthi meint in diesem Fall eindeutig Gott, da die Brüder Grimm äußerst religiös waren und das Christentum in jedes veröffentlichte Märchen einflochten. Am Ende seines Kapitels über Dornröschen diskutiert Lüthi eine Variation der Geschichte aus Italien: Sonne, Mond und Talia. Diese Version, die auf dem Höhepunkt der Barockzeit veröffentlicht wurde, enthielt viele Themen des Zeitgeistes. Barocke Liebe „setzt die tote Talia auf einen Sammetsessel unter einem Thronhimmel von Brokat, [und] barocker Humor lässt den Vater viele Fässer von Tränen weinen“ (23). Im Gegensatz zur italienischen Version sind die Grimm-Märchen so beliebt, weil ihre Moral und Themen nicht spezifisch für eine bestimmte Epoche sind.


Quellen:
Lektüre Hilfe. Märchen. https://lektuerehilfe.de/merkmale-textsorten/epik/maerchens
Lüthi, Max. Es war einmal – Vom Wesen des Volksmärchens. Vandenhoeck und Ruprecht, Göttingen. 2008

Bilder:
http://www.advertiser.ie/galway/article/71571/tell-your-tall-tale-fairy-tale-or-true-tale
http://sistershaleebrown.blogspot.com/2013/06/good-always-triumphs.html
https://www.pinterest.com/pin/380624605984102056/
http://www.maerchenatlas.de/aus-aller-welt/italienische-marchen/giambattista-basile/sonne-mond-und-thalia/

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